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Kyaing Tong: Hill tribes und An Peaople


Kyaine Tong – Hill tribes und An people



 
Mit Air KBZ flogen wir am Morgen von Yangoon über Heho nach Kyaine Tong. Diese Stadt im nördlichen Shan Staat war Ausgangspunkt für einige Tage Trekking zu den Hill tribes dieser Region. Der erste Anflug nach Heho führte über den Inle Lake. Fahl und grau glänzte er in der Mittagssonne. Schön konnte man sehen, wie eingebettet er in den Bergen ist, die sich ab hier bis nach Kyaine Tong erstrecken. Unsere Maschine flog über einen Bergkamm in das Tal von Kyaine Tong. Die Stadt am südlichen Ende eines Tales, das etwa 19 km lang und durchschnittlich 11 km breit ist, um einen jadegrünen kleinen See. Golden glänzen Stupas und ein stehender Buddha. Wir sehen viele Klosterdächer mit goldenen  und silbernen Dachverzierungen und roten Terrassendächern. Um die Stadt erstrecken sich abgeerntete gelbe Reisfelder, deren Stroh in qualmendem Rauch aufgeht und wie eine Glocke die Sicht versperrt.
 
Die Stadt selber verströmt keinen Hauch von Exotik. Sie erscheint „zweckmäßig“. Keine alte Architektur, stattdessen quadratischer Plattenbau im Mix mit niedrigen Holzhäusern und Geschäften. Dazwischen durchbricht das überwiegende helle Grün oder Blau der Häuserwände ein kräftiges Rot mit goldenen Applikationen der vielen buddhistischen Tempel. Es gibt noch eine alte Stadtmauer mit Graben mit einer Länge von acht Kilometern und ein Stadttor in der City. In der Trockenzeit kommen viele Menschen aus der Umgebung und selbst Karawanen aus dem 150 km nahen China zum Markt in die Stadt. 

Die Stadt lebt mit dem Zentralmarkt bis in den späten Morgen. Danach sind viele Geschäfte geschlossen. Sehenswürdigkeiten muss man schon sehr suchen, zählt man einmal die Tempel nicht. Heiße Quellen gibt es außerhalb der Stadt und einen 60 m hohen Baum auf den alten Stadtmauern, der mit seiner Krone von den Bergen um die Stadt herum aus weiter Ferne noch deutlich sichtbar ist.

Der Trumpf dieser Etappe sind die Ethnien dieser Gegend. Hier leben vorwiegend die Laho und Akha Stämme, letztere bekannt durch ihren silbernen Kopfschmuck. Andere Stämme sind  die Gon, Lwe, Li, Wa, Lah Hu, Thai Nay, Shan, Li Shaw, Li Su, und Palaung, die anhand ihrer Trachten voneinander unterscheiden werden können.

Doch wir treckten zuerst zu den An People, eine der kleinsten Volksgruppen in Burma. Auch sie gehören zu den in den Bergen lebenden „Hill tribes“. Sie sind für ihre Friedfertigkeit bekannt. In Dörfern mit durchschnittlich 100 Personen leben sie auf den Bergrücken in 1600m Höhe. Das Klima ist angenehm, in der Nacht kalt, die Luft feucht. Morgens hebt sich der Nebel mit der aufgehenden Sonne und lässt den roten schweren Lehmboden auch jetzt zur trockenen Jahreszeit noch Verdunstunskälte abstrahlen.

Mit dem Auto hoppeln wir auf einer „government road“ 1 ½ Stunden über eine bedauernswerte Schlaglochpiste mit ausgefranster oder fehlender Asphaltdecke zu unserem Ausgangspunkt. Es ist ein Laho Dorf, das wir schnell durchlaufen. Menschen sehen wir kaum. Am Dorfende wartet eine Gruppe von Akha Frauen mit handgearbeiteten Armbändern und Taschen auf die Touristen. Sie tragen ihre Tracht aus schwarzem Beinrock, der mit einem silbergenieteten Gürtel und einem violett- rot-blau bestickten Schurz gehalten wird. Hingucker ist jedoch die aufwendige Haube mit silbernen Münzen, Perlenstichereien und Silberkugeln. Gerne posieren sie für ein Foto, doch sie möchten auch etwas verkaufen, was sie uns spüren lassen. Ganz untypisch, zupfen sie am Ärmel und deuten auf das Gestell us Bambusrohr, auf dem ihre Auslagen aufgereiht hängen. Ich muss schmunzeln. Selbst mir reichen diese kleinen Menschen nur bis zur Schulter. Ich komme mir als Riese vor und dennoch drängeln sie jedoch mit einer gewissen respektvollen Zurückhaltung. Es ist vielleicht auch das Sprachproblem, denn ich kann nur Englisch und sie nur einen von den 85 heimischen Dialekten.

 
Weitere 1 ½ Stunden klettern wir nun in z.T. steilen Windungen die Berghänge empor. Wir durchlaufen überwiegend überwachsene Pfade, queren kleine Bäche und laufen nicht so sehr in der prallen Sonne. Die Luft bleibt feucht und kühl, bis wir aus dem Wald treten und auf die ersten Häuser treffen. Eng am Hang gebaut besteht das erste Dorf der An aus 26 Häusern. Als erstes laufen wir an einem kleinen Unterstand gleichen Bau vorbei, der einige geschnitzte Pfähle enthält – Nats. Nats sind Naturgottheiten und weisen diese Dorf als „animistisch“ aus. 
 
Unser Guide erklärt, dass für jedes Problem zuerst der Schamane zu  Rate gezoen wird, der bestimmt ob und wie viele Tiere getötet werden müssen.Konkret bedeutet dies im Krankheitsfall alles vom Hund bis zum Rind. Geht es dem Patienten dann nicht besser, wird er vom Berg zum nächsten Arzt gebracht. Die Behandlung und die Medizin kosten den Gegenwert eines Huhnes oder Schweines. Ist der Patient ernsthaft krank und muss ins Krankenhaus, bedeutet das erneute Ausgaben je nach Aufwand und Länge des Krankenhausaufenthaltes im Gegenwert eines Rindes, das derzeit bei 1500 USD liegt. Unser Guide schmunzelt. Das wäre der Grund, warum animistische Dörfer arm blieben. Sie würden ihre Tiere für ihre Probleme schlachten, und  am Ende wären die Menschen doch beim Arzt. „A chicken for the visitor, a pig for the student, a buffalo for the doctor and a dog for the family” rechnet uns unser guide vor, den es gibt auch Schule, und die wird mit einem Schwein pro Semester bezahlt.

Unser Guide kennt sich aus. Schon aus der ersten Hütte schallt eine Begrüßung. Es ist ein einstöckiges Pfahlhaus mit einer Bretterverschalung und einem Wellblechdach. Kein Teak sondern ein langlebiges Hartholz. Früher kostete das Material 70 USD, heute dagegen 20.000, denn lokale Abholzverbote der Regierung erfordern einen langen Transport. Unter dem Haus finden landwirtschaftliches Gerät, eine Reismühle und ein Moped Platz. Holz wird für die Regenzeit gestapelt, Mais hängt zum Trocknen auf Stäben unter der Decke, Chilischoten Bohnen und Teeblätter werden in flachen Körben in der Sonne ausgelegt. 

Über eine schmale Holzstiege gelangen wir in den ersten Stock, der Wohnraum und Aufenthaltsbereich ist. Es gibt einen großen Wohnraum und eine überdachte „Terrasse“, auf der immer irgendjemand sitzt und irgendetwas arbeitet. Jetzt in der Trockenzeit hätten die Menschen Zeit zu weben, sticken, das Haus instand zu setzen oder im Gemüsegarten zu arbeiten. Gerne gehen die An auch auf die Jagd. Der Hausherr sitzt an einem Mühlrad ähnlichen Stein, der eine kleine runde Vertiefung hat. In ihr klopft er mit der flachen Seite eines Beils auf einen Klumpen Blei, der unter den Schlägen allmählich eine kugelige Form annimmt. Die Büchse ist ein langläufiger Vorderlader mit einem Steinschloss. Das Schießpulver ist auch selbst gemacht, weist aber eine sehr unterschiedliche Körnung auf. Der Hausherr schmunzelt und weist auf die großen Brocken. „Besonders gut“, übersetzt der Guide. Geschossen wird auf alles, was genießbar ist, hauptsächlich jedoch auf wilde Schweine in den Reisfeldern, das natürliche Wild sei mittlerweile schon ausgerottet – „Wildlife finished“ bedeutet unser Guide mit einem Lachen.  

Vor zwei Tagen wäre seine Frau gestorben. Nun wäre er allein mit den beiden Kindern. Die Frau hätte 2 Tage lang Fieber gehabt, dann war sie tot. Ein Schwein und zwei Hühner starben mit ihr. Es ist ein Schicksal, das wir noch öfter hören werden. Am häufigsten trifft es aber die kleinen Kinder. 

„Wenn die Eltern auf den Feldern arbeiten“, erklärt unser Guide, „passen die Großeltern auf die Kinder auf. Die Kinder werden in der Regenzeit nass oder stecken sich im Wald irgendwelche Dinge in den Mund. Sie bekommen schnell hohes Fieber und sterben, noch bevor sie zu einem Arzt gebracht werden können. Da hilft auch der Schamane nicht und auch nicht die geopferten Tiere.“ Oder sie verunglücken beim Spielen im Wald oder ertrinken im Bach oder Fischteich. Von den Schicksalen, die wir übersetzt bekommen, schließe ich auf eine Kindersterblichkeit von 50%.
 
Wir laufen etwas durch das Dorf von Hütte zu Hütte. Die Menschen tragen nur noch zum Teil traditionelle Kleidung aus indigofarbener Hose oder Rock mit Jacke. Den Rock ziert eine breite Bordüre aus rotem besticktem Stoff, während die Jacken mit zarten Stickereien am Revers verziert sind. Die Frauen tragen einen Schal, den sie zu einem Turban wickeln.Es gibt aber auch Jugendliche mit Jeans und T-Shirts. Es ist eine Gemeinschaft auf der Kippe.

Von einer der Terrassen winkt uns eine junge Frau. Sie hat ihr Kind zu einem Bündel in einem roten Tuch auf den Rücken geschnürt. Der Rest der Familie mit Eltern, d.h. Großeltern, und vielleicht der Schwester sind auch versammelt. Der Mann spaltet ein Bambusrohr in fasergleiche Stücke, Vorlage für einen Korb, die Schwester färbt in Bottichen Stofflagen ein. Ihre Hände sind tiefblau verfärbt und verraten, um welchen Farbton es sich handelt. Sofort bekommen wir angesichts des beschaulichen Treibens kleine flache Holzschemel angeboten. Wir nehmen Platz, denn ein Tisch, Gläser und eine Thermoskanne mit gelblichem Tee folgen. Verständigen können wir uns nicht, doch wir erkennen, dass es sich um eine Verkaufsveranstaltung handelt. Ganz behutsam zeigt uns die jüngere An ihre Schals, Taschen, Ketten und Armbänder. Der Preis ist sehr bescheiden und wir kaufen zwei Armbänder mit silbernen Nieten und orangefarbener Stickerei für je 1 USD. Mit dem Geld können sie das einkaufen, was sie nicht tauschen können.

Ihre Mutter gesellt sich dazu. Ihre Tracht hat den schwarzen Ton des Indigo bereits verloren und schimmert eher Blau. In ihrem Gesicht spiegelt sich eine ungeahnte Gleichmut aus. Neugierig und behutsam mustert sie, was geschieht. Sie lächelt bei unseren Konversationsbemühungen und gebannt muss ich auf ihre Zahnreihen blicken, die mit einer dicken schwarzen Kruste überzogen sind. Karies schießt mir durch den Kopf, doch es ist ein Schönheitsideal, eine Mischung aus Kohle und Kalk, was in Schichten aufgetragen den Zahn auch schützen soll. Eine rote Variante aus Blattextrakt gibt es auch noch, die zu besonderen Anlässen benutzt wird. Nur bei den jüngeren sieht man es nicht (mehr). 

2 weitere An Dörfer folgen. Sie sind von der Bauweise gleich. Alles ist unglaublich einfach und naturalistisch. Natürliche Materialien, Bambus, Gras, Holz. Gärten sind mit einem Bambusgeflecht eingefaßt und abgedeckt zum Schutz vor den freilaufenden Schweinen, die sich gerne in den Wasserrinnsalen Suhlen oder in dem zum Trocknen ausgelegten Teeblättern wühlen. Ein mehr oder weniger breiter Weg in der Mitte


teilt die Häuserreihen rechts und links. Es sind verschiedene Bauweisen. Einfache Hütten aus geflochtenem Bambus mit Grasdächern sehen wir genauso wie die einstöckigen Pfahlbauten. Keine Farbe und kein Dekor lockt da Auge. Die Linien sind gerade und einfach. Der einzige Farbakzent sind violette Bourgainvillen, meterhohe knallrote Weihnachtssterne und sogar kleine Rosensträucher. Die Gundstücke sind mit Bambuszäunen vor dem Viehzeug geschützt, die wiederum von Bohnen, wilden Tomaten, Spongefrüchten oder anderem wild rankenden Gemüse zugewuchert werden.
 
In einem der Dörfer wird eine Hochzeit vorbereitet. „Wie viele Tiere“, fragt unser Guide. „Nur ein Schwein und drei Hunde“, bekommt er zur Antwort. Wir werden Zeuge, wie eine Sau eingefangen wird. Laut quiekend protestiert sie noch, als sich gleich eine ganze Meute Jungens auf sie stürzt, zu Boden presst und Schnauze und Füße mit Stricken verschnürt. Das Quieken verstummt und wir mussten kein Prophet sein, um zu vermuten, welches Schicksal sie gerade erlitten hatte.

„Wenn etwas passiert“, erklärt Sai-Di „kommt das ganze Dorf helfen.“ Er weist auf einen Küchenanbau an einer Hütte. Ein paar Bretter, mehr nicht. „Wenn jemand etwas an seinem Haus baut, kommen alle und arbeiten mit. Das kostet einen Hund und ein paar Hühner hinterher, aber es erhält die Gemeinschaft“. Ich denke nur: „Es hilft vor Langeweile nicht zugrunde zu gehen.“

Apropos, Sonnenkollektoren und SkyNet Schüsseln auf den Dächern verraten, dass die Bundesliga auch hier ankommt. Wir sprechen mit einem Local rudimentär über Fußball. Er kennt die Premier League und die Bundesliga – das hätte ich hier auf dem Berg nicht vermutet. Auch die Mopeds verraten den Kontakt mit der Zivilisation. 

Es hänge von der Glaubensrichtung ab, bedeutet unser Guide. Es gäbe auch An, die durch die Baptisten „christianisiert“ worden sind. Während die animistischen An an Schamanen glauben und Schule, Bildung und Zivilisation ablehnten, hätten die baptistischen Schulen, eine Ausbildung und Berufe, z.T. auch im Ausland (Thailand).

Wie auf Stichwort dringen aus den Räumen einer Grundschule laute Kinderstimmen. Die Lehrerin an der Tafel erklärt die Begriffe „hat“, „hut“ und „horse“. Dazu tippt sie mit dem Zeigestock auf die Buchstaben und sofort buchstabiert die Klasse im Choral das Wort. Die Kinder sind mit Eifer dabei und nehmen von uns keine Notiz. Seit der neuen Regierung würde mit dem Englischunterricht bereits in der Grund- statt wie bisher in der Mittelschule begonnen. Ziel ist natürlich der Anschluss an die Entwicklung, denn Burmesisch ist keine Weltsprache. Das Gehalt der Lehrer ist bescheiden. Ein „Teaching assistent“ verdient 40 USD, ein Lehrer 110 bis 120 USD pro Monat. Zu ihrer Ausbildungszeit waren Lehrer oder Bankangestellter die einzigen sicheren und von der Regierung bezahlten Jobs.

Auf unserem Rückweg begegnen wir wieder wie von Geisterhand herbeigezaubert den Akha Frauen von heute Morgen. Sie haben ihre mobilen Stände mitgebracht und hoffen nun auf ihre zweite Chance.










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