Loimwe: Snow Hills und Geisterstadt
1 ½
Autostunden oder 36 km von Kyaine Tong entfernt liegt Loimwe. Diese
ehemalige britische Hillstation wurde 1918 gebaut und diente bis 1948 als
Hauptquartier des britischen District Commissioner. Sie soll einen kolonialen
Charme erhalten haben dank der alten Gebäude. Der Weg führte uns zum Teil
wieder über die private Straße nach Süden durch endlose Reisfelder,
Schnapsdörfer und vorbei an zahlreichen Klöstern, bevor wir auf eine
Schotterpiste abbogen, die aber bald in eine asphaltierte Bergstraße überging.
In Serpentinen schraubte sie sich allmählich auf 1800 Meter empor. Der Blick
fiel auf naturbelassene Waldhänge und Reisterrassen.
Wir hielten kurz an
einem Laho Dorf, dessen Mittelpunkt eine weiße baptistische Kirche bildete, die
mich mit ihrem blauen Wellblechdach und den Bananenpalmen an die Südsee
erinnerte. Im Innern fand gerade eine Versammlung eines Gesundheitserziehers
statt. Eine handvoll Zuhörer lauschte den mahnenden Worten „If you pierce your
ears, take care that you use clean needles“ und den Erklärungen, wie man
benutzte Nadeln wieder säubert. Seine Ausführungen wurden mit Lachen
beantwortet. Nahmen sie ihn nicht ernst? „No“, meinte Sai-Di nur kurz.
Loimwe
erwartete uns wie ausgestorben. Der sonst so belebte Zentralmarkt, auf dem die
vielen Ethnien der Umgebung einkaufen sollten, lag ausgestorben und leer. Nur
ein paar Buden mit Hardware oder Tea shops hatten geöffnet. Musik drang aus
überdemensionalen Lautsprechern und belebte zumindest akustisch die
gespenstisch anmutende Szenerie menschenleerer Gassen und Gänge. Wir liefen auf
der Hauptstrasse bis zu dessen Ende im Dorf. Dunkelbraune Holzhäuser säumten
den Weg, die Fensterläden verschlossen, die unteren ehemaligen Shops
vergittert.
Die kolonialen Gebäude, ehemals 48 jetzt nur
noch 12, verteilen sich auf dem dem Dorf gegenüberliegenden Hügeln.
Unverkennbar für den ausländischen Baustil sind die Schornsteine und die
Backsteinbauweise. Sai-Di beeindruckte die Tatsache, dass die Gebäude in jedem
Raum einen Ofen hatten und selbst in der kalten Jahreszeit innen warm waren.
Wir nennen es „Heizung“ Die Architektur dagegen ist allenfalls britisch
inspiriert. Tief herabgezogene Dächer und kleine Fensteröffnungen schützen vor
der intensiven Sonneneinstrahlung, dicke Mauern regulieren das wechselvolle
Klima. Es kann sogar so kalt werden, dass die Bergspitzen Schnee tragen. Für
die Bevölkerung von Kyaing Tong ist dies ein unvorstellbarer Anblick.
Der ehemalige Hauptsitz von Colonel Rubel ist heute für
die Öffentlichkeit geschlossen. Ein blaues Schild erinnert an den Sitz und die
Erbauung des Hauses in 1918. Gruppen von lokalen Touristen posieren davor in
Victory Pose. Eine trostlose Atmosphäre.
En kurzes Stück weiter steht die Kirche des
Convents unserer „Lady Fatima“. Die Kirche unterhält die einzige High School
der Gegend und trägt maßgeblich dazu bei, dass dieser Ort nicht vollends
ausstirbt, meint Sai-Di. Die angeschlossenen Unterkünfte der Kinder sind
spartanisch. Wir nehmen teil an der Essensausgabe zu Mittag. Auf einer langen
Tafel aus vier langen Holzlatten stehen aufgereiht bunte Plastikschalen. Zwei
Mädchen wuchten einen Alukessel entlang der Sitzreihen und teilen eine Kelle
mit klarem Wasser aus, in dem verloren ein Blatt ‚morning glory‘ schwimmt.
Inständig bitte ich, dass zumindest noch Reis dazu kommt…
Sai-Di zeigt auch auf ein typisches lokales
Produkt - vergorene „Obstweine“. Ansprechend sind die Flaschenform und die bunte
Farbigkeit der Weine. Wir probieren in einem Tea Shop einige
Geschmacksrichtungen: Pflaume, Crushed Apple, Apfel. Der Alkoholgehalt liegt
bei 4% und geschmacklich erinnert es eher an einen überreifen Saft mit etwas
Bizzel.
Über
die Passstraße kehren wir wieder nach Kyaing Tong zurück. Für einen Moment
halte ich inne und frage mich ernsthaft, welche Erkenntnis uns dieser Ausflug
gebracht hat. Ich denke, man muss schon tief graben, um touristische
„Sehenswürdigkeiten“ zutage zu fördern und um nicht ständig die Farbigkeit
ethnischer Minderheiten zu bemühen. Die phantastisch angepriesene Landschaft
wird schnell eintönig und man hat sich rasch an den Anblick der Reisterrassen
und bewaldeten Berghänge ewöhnt.
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